04. Oktober 2020
Das 16. Zurich Film Festival war die erste grosse Veranstaltung der Schweiz, die wieder stattfand und das erste grosse internationale Filmfestival der Welt, das wieder mit einem Vollprogramm und rein physisch durchgeführt wurde. 165 Filme wurden aufgeführt, darunter die Rekordzahl von 23 Weltpremieren (2019 waren es 11). 68 000 Besucherinnen und Besucher kamen ans ZFF – viel mehr, als die Veranstalter erwartet hatten.
«Wir sind hochzufrieden», bilanziert Direktor Christian Jungen. «Wir wollten mit dem ZFF ein Zeichen des Optimismus und des Aufbruchs setzten. Das ist uns gelungen. Es hat sich gezeigt, dass die Leute wieder Lust auf Kino haben.» Rund 100 Vorstellungen waren komplett ausverkauft; bei mehr als 100 der 165 Filme betrug die Auslastung in den Sälen über 90 Prozent. Nach Abzug der Sitzplätze, die wegen den Schutzmassnahmen frei bleiben mussten, liegen die Besucherzahlen auf Vorjahresniveau. «Wir haben bewiesen, dass man auch unter den gegenwärtigen Bedingungen eine Kulturveranstaltung ausrichten kann. Nun hoffen wir, dass sich auch weitere Veranstalter getrauen, ihren Betrieb wieder aufzunehmen und dass die Leute wieder vermehrt ins Kino gehen», so Jungen.
Lob von Juliette Binoche
Viele Filmschaffende zeigten sich erfreut, dass sie ihre Werke wieder in einem Kino mit Zuschauern präsentieren konnten. Unter den Gästen und Preisträgern, die das ZFF empfangen durfte, waren Johnny Depp, der den von ihm produzierten Dokumentarfilm CROCK OF GOLD über die irische Folk-Punk-Band The Pogues vorstellte, die französische Oscarpreisträgerin Juliette Binoche, die den Golden Icon Award erhielt und über ihren Besuch am ZFF auf Instagram schrieb: «Danke an das Zurich Film Festival und an Christian Jungen! Danke auch an das Publikum für den herzlichen Empfang.» Die französische Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn, die den A Tribute to…Award erhielt, Til Schweiger, der ein Goldenes Auge für seine Karriere erhielt und Rolf Lyssy, der den Career Achievement Award erhielt.
Im Rahmen der glamourösen Award Night wurden gestern Samstagabend im Opernhaus Zürich die mit je 25 000 Franken dotierten Goldenen Augen für die Gewinner der drei Wettbewerbe verliehen. Alle Hauptpreise gingen an Regisseurinnen. Der Frauenanteil lag in den Wettbewerben bei über 55 Prozent.
Das Goldene Auge des Fokus-Wettbewerbs ging an den österreichischen Film HOCHWALD von Evi Romen. Sie erzählt von Mario, einem jungen Südtiroler, der Tänzer werden will und sich in seinen Jugendfreund Lenz verliebt. Aber dann kommt dieser bei einem Attentat auf eine Schwulenbar ums Leben. Besondere Erwähnungen gehen an ONE OF THESE DAYS von Bastian Günther (Deutschland, USA) und WOOD von Monica Lăzurean-Gorgan, Michaela Kirst und Ebba Sinzinger (Österreich, Deutschland, Rumänien).
Das Goldene Auge des Spielfilm-Wettbewerbs ging an die Mexikanerin ¬Fernanda Valadez für ihr Debüt SIN SEÑAS PARTICULARES. Das Drama erzählt von einer mexikanischen Mutter, die sich auf die Suche macht nach ihrem Sohn, der in die USA auswandern wollte, aber unterwegs entführt worden ist.
Im Dokumentarfilm-Wettbewerb wurde TIME von Garrett Bradley ausgezeichnet. Der Langzeitdokumentarfilm porträtiert Sibil und ihren Ehemann Rob, welche vor 21 Jahren eine Bank ausgeraubt haben. Während sie mit einer geringen Freiheitsstrafe davonkam, ist er zu 60 Jahren im Staatsgefängnis von Louisiana verdonnert worden. Unbeirrt kämpft Sibil seit zwei Jahrzehnten für die Begnadigung ihres Mannes – und hält das Familienleben mit der Videokamera fest.
Besondere Erwähnungen gehen an THE EARTH IS BLUE AS AN ORANGE von Iryna Tsilyk (Ukraine, Litauen) und ACASĂ, MY HOME von Radu Ciorniciuc (Rumänien).
Starker Auftritt für Schweizer Filme
Nebst dem Gastland Frankreich hatte auch der Schweizer Film einen starken Auftritt. Gezeigt wurden 27 einheimische Produktionen, darunter WANDA, MEIN WUNDER von Bettina Oberli, der das Festival eröffnete und EDEN FÜR JEDEN von Rolf Lyssy, der den Career Achievement Award erhielt. Das Regiedebüt SAMI, JOE UND ICH von Karin Heberlein über drei junge Secondas, die in einer Vorstadt von Zürich aufwachsen, gewann den Kirchenpreis und den Publikumspreis.
Auch der Zurich Summit, der letztes Wochenende im Dolder Grand stattfand, war ein grosser Erfolg. Zum ersten Mal seit Ausbruch der Pandemie trafen sich Leaders aus der weltweiten Filmbranche wieder physisch, um über die Herausforderungen der Filmwirtschaft zu diskutieren. Unter den Teilnehmern waren auch Berlinale-Direktor Carlo Chatrian, CAA-Chef Roeg Sutherland und SRG-Direktor Gilles Marchand. Ray Parker Jr. gab im Rahmen des Summit-Dinners eines von insgesamt drei Konzerten, die er am ZFF spielte.